Momentan taucht in den Gartengruppen wieder häufig die Frage auf, "Was kann ich denn jetzt schon säen?".
Das führt dann zu ausufernden Diskussionen, weil die Aussagen weit auseinander gehen.
Die einen fangen längst mit Tomaten an, andere - wie auch ich - lassen sich noch lange Zeit.
Es besteht wirklich kein Grund, sich zu streiten, denn im Grunde haben doch alle recht und je nach den Bedingungen vor Ort weichen die richtigen Angaben stark ab.
Wenn ich auf meiner Webseite https://www.biogaertnern.de/ Angaben mache dazu, was man jetzt schon säen oder auch bald pflanzen kann, dann sind das absolute Durchschnittswerte und jede(r) GärtnerIn muss wissen, welche Faktoren vor Ort dazu führen, dass man früher oder später mit den jeweiligen Pflanzen anfangen kann.
Hier habe ich mal zusammen gefasst, welche Fragen man sich stellen sollte und die Angaben dazu sollte man auch machen, wenn man fragt, ob man eine bestimmte Pflanze schon sähen oder auspflanzen kann.
Bei den folgenden Betrachtungen beschränke ich mich auf die Anzucht von Pflanzen, die nicht winterhart sind, wie z.B. Tomaten, Paprika, Auberginen, Chili.
Wir gehen davon aus, es steht KEIN beheizbares Gewächshaus zur Verfügung.
1. In welcher Region gärtnerst Du?
Oft wird vermutet, dass ich ja sicher milderes Klima hätte, weil ich in Süddeutschland lebe. Das stimmt natürlich nicht, weil wir zwar grundsätzlich mit jedem Kilometer Richtung Äquator milderes Klima haben, aber dazu kommen eben noch mehr Faktoren:
Die Höhenlage, Große Seen oder das Meer, die Wärme speichern und abgeben sowie bestimmte Landschaftsformen.
Wenn Ihr Euch nicht sicher seit, welches Klima in Eurer Region herrscht, dann gibt es verschiedene Quellen, wo man sich informieren kann:
https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaatlas/klimaatlas_node.html
Etwas einfacher in der Handhabung ist diese Karte, auf der man die eigene PLZ eingebeben und dann die Jahres-Durchschnittstemperatur ablesen kann:
https://www.waermepumpe.de/normen-technik/klimakarte/
2. Welches Kleinklima hat Dein Garten / Beet?
Oben habe ich geschrieben, dass die Höhenlage Einfluss auf das Klima hat. Wir wohnen jetzt noch mal 100Hm höher, als am letzten Wohnort.
Dennoch wächst hier der Rosmarin wunderbar im Freiland, am vorherigen Wohnort ist er erfroren.
Das liegt daran, dass wir hier am Südhang wohnen, wo die Kälte abfließen kann. Vorher wohnten wir in einem Flusstal, wo sich die Kälte gesammelt hat.
Zudem ist unser Garten durch umgebende Mauern vor WInden geschützt und die Mauern speichern Sonnenwärme und geben sie Nachts ab.
3. Steht nach dem Auspflanzen ein Schutz für die Pflanzen zur Verfügung?
Das kann sein:
- ein geschützter Standort unter einem Schuppendach oder an der warmen Hauswand
- ein an einer Seite offene Folienüberdachung
- ein rundum geschlossenes Folienhaus, wo man z.B. mit Petroliumlampe ein paar Frostnächte überbrücken kann.
- ein Gewächshaus mit Stegplatten oder Isolierglas
4. Kannst Du Dich jeden Tag um die Pflanzen kümmern?
Hast Du Zeit, Kraft oder Hilfe, um die Pflanzen im Topf notfalls noch mal ins geschützte Wohnhaus zu tragen, wenn Kälte droht?
Oder um an relativ dunklem Standort vorgezogene Pflanzen durch ein paar Stunden im Freien gegen Sonnenbrand abzuhärten?
5. Bist Du bereit, die Pflanzen notfalls mit Kunstlicht vorzuziehen?
In dem Fall wird der Spielraum größer und man kann eher mit der Anzucht beginnen, wenn die Tage noch kurz sind, oder wenn nur ein dunkler Raum zur Verfügung steht.
6. Hast Du einen sehr hellen und kühlen Ort zur Aufzucht?
Das wäre im Idealfall ein Südseitenfenster im ungeheizten Schlafzimmer oder ein sehr helles garantiert frostfreies Treppenhaus.
Hier wachsen robuste kräftige Pflanzen heran, die man auch etwas länger stehen lassen kann, ohne dass sie Schädlinge bekommen.
Man erkennt sie an einem gedrungenen Wuchs mit geringem Abstand zwischen den Seitentrieben.
7. Steht genug Platz zur Verfügung?
Wenn Du bald mit der Anzucht beginnst und dann evt. das Wetter im Frühjahr nicht ideal ist, brauchst Du genug Platz, um die Pflanzen auseinander rücken zu können.
Andernfalls werden sie gakelig und instabil.
8. In welchen Boden werden die Pflanzen ausgepflanzt?
Wenn der Boden eine sehr gute Humusversorgung hat, ist er dunkler, als z.B. ein leichter Sandboden ohne Humus.
Dadurch erwärmt er sich im Frühling schneller.
Wenn allerdings gemulcht wird, kann der Effekt wieder fehlen.
Dafür entsteht Wärme durch Rotte, wenn man unter den Mulch eine Menge halbreifen Kompost gibt, wie ich das bei den oben genannten Pflanzen gerne mache.
Diese Faktoren kannst Du für Dich bewerten und entscheiden, was wohl zutrifft.
Allerdings sollte man sie nicht überbewerten.
Ich entwerfe als Beispiel zwei Szenarien für sehr unterschiedliche Anzuchtbedingungen:
1. Baldige Anzucht, wenn die meisten dieser Faktoren gegeben sind:
- Du hast einen sehr hellen, kühlen Raum mit viel Platz oder bist bereit, Kunstlicht anzuschaffen und Dich auch damit zu beschäftigen, was die Wahl der Lampen, den Energiebedarf und die Dauer der Zusatzbeleuchtung (Simulierung der richtigen Tageslänge) angeht.
- Du bist bereit, die größer gewordenen Pflanzen täglich morgens ins Freie zu tragen und abends wieder rein zu holen oder kannst jemanden bitten, der das in Deiner Abwesenheit für Dich macht.
- Du wohnst in einer klimawarmen Region und auch das Kleinklima im Garten ist optimal
- Du hast ein Gewächshaus zur Verfügung, dass so gut schließt, dass man im Notfall temporär mit Petroliumlampe frostfrei halten kann
1. Besser späte Anzucht, wenn die meisten dieser Faktoren gegeben sind:
- Es gibt nur einen hellen warmen Platz
- Es gibt nur einen relativ dunklen Platz ohne Zusatzbeleuchtung
- Es gibt grundsätzlich wenig Platz, die Pflanzen müssen also eng stehen
- Es kommt vor, dass Du Dich ein / zwei Tage nicht um die Pflanzen kümmern kannst
- Die Pflanzen sollen ins Freiland gepflanzt werden
- Später Frost ist in Deiner Region eher normal
Ich möchte also ermuntern, die obige Frage "Was kann man jetzt schon säen?" um folgende Angaben zu ergänzen:
- In welcher Region gärtnerst Du?
- Ist das Kleinklima eher gut oder eher schlecht?
- Hast Du genug hellen kühlen Platz oder verwendest Du Pflanzenleuchten?
- Hast Du ein Gewächshaus oder möchtest Du ins Freiland pflanzen?
- Kannst Du Dich täglich um die Pflanzen kümmern?
Die genannten Faktoren sind viel wichtiger, als die Tatsache, dass es momentan für Januar ungewöhnlich warm ist.
Ich lese jetzt oft "Ich glaube nicht, dass es noch mal richtig Winter wird".
Da muss ich schmunzeln und an die letzten Jahre denken.
2017 gab es auch sehr warme Tage im Januar, der mich zum folgenden Blog inspiriert hat:
Veronica, der Januaaar ist daaaaaa
Im April gab es dann böses Erwachen mit spätem Frost.
Letztes Jahr war es noch extremer.
Es gab im Januar keinen Tag mit Dauerfrost.
Dafür gab es erst im Mai noch sehr tiefe Temperaturen.
Durch den Klimawandel hat sich alles nach hinten verschoben.
Ich ernte bis in November / Dezember hinein Tomaten, die letzten beiden Jahre sogar im Freiland.
Aber dafür gibt es noch mal späten Frost.
Auch wer ein beheizbares Gewächshaus hat, ist damit nicht unbedingt aus dem Schneider.
Die Pflanzen müssen ja gründlich gelüftet werden.
Auch wenn sie nicht kaputt gehen, sind sie doch anfälliger, wenn es nach dem Auspflanzen gleich so kühl wird.
Deshalb lieber nicht zu bald mit der Aussaat beginnen.
Dazu gibt es auch einen älteren Blog-Eintrag, der 2016 ebenfalls auf Grund eines spätern Frosteinbruchs geschrieben wurde:
Das Wort zum frostigen Frühjahr
Es bleibt spannend, wie es dieses Jahr wird.
Heute hat es etws Schnee, soll aber wieder wärmer werden.
Ich habe nichts dagegen. ;-)
Hier noch ein Verweis auf ein sehr schönes Buch über Samengärtnerei: